Klangmaschinen Speichermusik

19 04 09 17:00

Speichermusik | Werke für Lochstreifen, Walzen, Scheiben, Bänder und digitale Speicher

Speichermusik

Programm

JOSEPH HAYDN 1792/93
Kompositionen für Flötenuhren

Ausgehend von Berlin, wo Friedrich II von Preußen das Uhrmacherhandwerk besonders förderte, wurden ab etwa 1765 auch in Dresden, Augsburg, Breslau, Prag, Paris und Wien Flötenuhren gebaut. Joseph Haydns Werke für die Flötenuhr waren zum Großteil für die Spieluhren seines Schülers Pater Primitivus Nemec bestimmt, der nachweislich zwei mechanische Flötenwerke 1792/93, ein drittes möglicherweise bereits 1789 angefertigt hatte. Die Originalkompositionen von Haydn, Mozart und Beethoven zeigen, dass sich die Komponisten mit den Möglichkeiten und Eigenschaften der mechanischen Flötenwerke eingehend vertraut gemacht hatten und die nur von einem mechanischen Spielwerk ausführbaren weiten Akkordlagen, Trillerkombinationen und mehrstimmigen Passagen in einer dem mechanischen Werk angepassten Satzart zu nutzen wussten.

CONLON NANCARROW
No. 3 a-e 1949/50
Fünfsätzige Boogie-Woogie-Suite

3a ist wahrscheinlich Nancarrows erste Komposition für Player Piano. 3a: Über einen Boogie-Woogie-Bass in rasender Geschwindigkeit türmen sich bis zu sieben musikalische Schichten. 3b: Blues. Ein 12-taktiges Ostinato im Bass wird zehnmal wiederholt und von verschiedenen melodischen Linien überlagert. 3c: Lebhafter Blues mit kanonischen Passagen. 3d: Gemächliches Jazz-Stück. 3e: Rasender Boogie-Woogie, ähnlich 3a.

NO. 21 1961
Canon X

Streng zweistimmiger Kanon, bei dem die Stimmen in unterschiedlichen Geschwindigkeiten geführt werden. Die Bass-Stimme beginnt langsam eine Zwölftonreihe mit ca. 4 Tönen pro Sekunde. Kurz darauf setzt die Diskant-Stimme in einer Geschwindigkeit von 39 Anschlägen pro Sekunde ein. Während die Bass-Stimme kontinuierlich beschleunigt, wird die Diskant-Stimme im gleichen Maße langsamer, bis etwa in der Mitte der Komposition beide Stimmen die gleiche Geschwindigkeit erreichen. Nun überholt die Geschwindigkeit der Bass-Stimme diejenige der Diskant-Stimme, und das Stück endet in einem Klangorkan der Bass-Stimme von 120 Anschlägen pro Sekunde.

PIERRE SCHAEFFER
Cinq études de bruits 1948

GÜNTHER RABL
Mugl entsteigt I 1975/76

eine Komposition mit lebenden Klängen
Original: 1/4“, 15ips, mono
Realisation am Institut für Elektroakustik der Musikhochschule Wien (bis 1975), im eigenen Studio Neupölla, Waldviertel (ab 1976)
UA 1977 Theatre Recamier Paris, Klangregie Francois Bayle

„Man spricht immer von der Unbegrenztheit der Klänge im elektroakustischen Universum.
Dennoch sind die Komponisten selten, die imstande sind, sich von den gängigen Methoden und Klangvorstellungen freizumachen und vor allen Dingen, diesem Universum ein persönliches Merkmal aufzuprägen. …. Ein einziges Werk stellte eine echte Originalität dar: „Mugl Entsteigt“ des Österreichers Günther Rabl. Ein Tonband, das mit eigenem Material realisiert wurde, und vielleicht gerade deshalb durch neue, sprechende Klänge das Ohr aufweckt: Linien über leuchten-dem Muster, Trauben von silbrigen Klängen, eine Art Orgel aus geschmeidigen Formen, ein farbiges Ostinato aus üppigen Strukturen. Das alles paart sich mit Humor und Lebendigkeit im Versuch einer sinfonischen Entwicklung, die den elektroakustischen Musikern nur selten gelingt.

GERHARD ECKEL
Der Zufall geht … 1986

Computergenerierte Tonbandkomposition. Realisiert mit dem Musikcomputersystem AKA 2000
am Institut für Komposition und Elektroakustik [ELAK] an der Hochschule für Musik und
darstellende Kunst Wien.

Das einzige im Stück verwendete Klangmaterial besteht aus dem klickenden, für ein paar Millisekunden andauerndem Klang von zwei aneinander schlagenden Billard Kugeln. Das Ausgangsmaterial für den ursprünglichen Klang wurde durch unterschiedliche Techniken der Klangtransformationen generiert und das Klangresultat in Gruppen unterteilt. Markow-Prozesse wurden angewendet, um „Klangwolken“ unterschiedlichster Dichte und Textur zu bilden. Auf der formalen Ebene wurde der Versuch unternommen, durch den Gebrauch von abstrakten Formen der Stimulanz und Resonanz, Makro- und Mikro-Zeit-Strukturen zu schaffen.

DIETER KAUFMANN
Le voyage du paradis 1987/88

ANDREA SODOMKA
Minimal Revolution 2009 UA
Suite für Ariston und Live Electronic

Das Ariston war wohl eines der ersten High- Tech-Produkte für den Hausgebrauch. Gefertigt als Massenprodukt, relativ einfach gebaut und auch leicht zu bedienen, klein genug um es mit sich zu tragen, könnte man es mit der heutigen Verwendung von Notebook und Soundprogrammen vergleichen. Eine Kombination dieser beiden Klangwelten – unserer heutigen „Computer-Musizierpraxis“ und der typischen Hausmusik des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts – ist eine der grundlegenden Überlegungen für „Minimal Revolution“. Zwei High-Tech-Instrumente, das eine am Beginn des 20. Jahrhundertsund das andere am Beginn des 21. Jahrhunderts in vielen Haushalten als Musikinstrument präsent, treten in Dialog miteinander. Eine mechanisch – elektronische Begegnung.

USHI REITER / MARKUS DECKER 2009 UA
TNETAP

In unserer Auseinandersetzung mit den zauberhaften Phonographen tauchen wir in die Welt des krachenden und ächzenden Klangs der Geschichte ein. Ein Sound-Experiment, bei dem sich noch heraus stellen wird, ob es Geschichte schreibt. Die produzierten Walzen werden jedenfalls nach dem Konzert als Kunst Objekte versteigert. Der Erlös geht an die Free Software Foundation Europe. Ein Projekt, das Edison Thomas Alva als Verfechter von Patenten sicher nicht gefallen würde.