Artist in Residence 2013

IMA Institut für Medienarchäolgie hat an die KlangkünstlerInnen Ryoko Akama (GB/JP), Katharina Klement (A), Felix Kubin (D) und Michael Zacherl (A) eine Artist in Residence vergeben. Die dabei entstehenden neuen Kompositionen für den Max Brand Synthesizer werden in unserer Konzertreihe uraufgeführt.

Ryoko Akama | © Regina Lercher

Ryoko Akama | © Regina Lercher

Ryoko Akama September 2013
Yugen

幽玄(yugen) kann in jeder Person und an jedem Ort gefunden werden. Es ist ein mehrdeutiges japanisches Konzept, um eine innerweltliche Tiefe und deren Heilkraft zu beschreiben. 幽(yu) bedeutet verschleiert, leise, jenseiti玄(gen) bedeutet feinsinnig, tief, unvergänglich. Yugen ist ein poetischer Ausdruck für die innewohnende Schönheit, die Zeami, ein japanischer Noh Performer und Theoretiker, als anmuige und mysteriöse Eleganz und eine Qualität des Geistes beschreibt. „It (yugen) is a profundity and evanescence detached from reality and indicates a mystical state in which beauty is but a premise, something of an unknowable nature… Yugen is not something that can be apprehended intellectually; rather, it exists subjectively for the audience, beyond the mere visual level… if we say that observation is based on spatial perception, then yugen is somehow related to pure continuous time…Yugen does not exist objectively but is the subjective experience of the human being who knows it.“ (Konparu, Noh Theater Autor) In meinen 2 Stücken yugen(ism) 01 und yugen(ism) 02 entsprechen die Klänge des Max Brand Synthesizers Yugen Elementen von Hainburg. Die Bilder nahm ich auf meinen Spaziergängen durch die Stadt auf. Sie sind gleichsam die Partitur für die Kompositionen. Was für eine reizende Stadt, in der sich Altes und Neues und der Geruch des Flusses verbinden. Der neue Asphalt beinhaltet immer noch Farben der Vergangenheit. Max Brand, diese Figur eines Großvaters, ist omnipresent und lebendig in der Septemberluft von Hainburg, in der mich die Sonne jeden Morgen begrüßt.

yugen1w

yugen(ism) 01



yugen2w

yugen(ism) 02


Felix Kubin | © Felix Kubin

Felix Kubin | © Felix Kubin

Felix Kubin Oktober 2013
Max Brand on a long thin wire

Der Max Brand Synthesizer ist für mich eine Mischung aus Kirchenorgel und Militärmaschine. Diese beiden Elemente wollte ich in meinem Stück hörbar machen. Während ich mit verschiedenen Einstellungen und Klängen experimentierte – oftmals bis spät in die Nacht, begleitet von dem leisen Regen draußen vor dem Fenster – begann der Apparat, ein Eigenleben zu entwickeln. Seine schwankenden polyphonen Tonregister, die Instabilität seiner abgleitenden Stimmen, das Knacken und Rattern seiner Impulse entfalteten in dem gewölbeartigen Raum eine gespenstische Präsenz. Hier war mein Versteck, meine letzte Zuflucht, während draußen Explosionen und Sirenen zu vernehmen waren. Hier saß ich mit Max Brand, dem egozentrischen Sturkopf, wir saßen zusammen auf einem langen dünnen Draht und lauschten einem fernen Krieg, der nicht unserer war.

Bei der Entstehung der Komposition spielten die Umgebungsgeräusche des Raumes eine wichtige Rolle. Die meisten Signale stammen nicht direkt aus dem Line-Ausgang des Synthesizers, sondern wurden mit Raummikrofonen im Studiogewölbe aufgenommen, wo die angeschlossenen Lautsprecher die Luft zum Schwingen brachten. Im klassischen Sinne „gespielt“ habe ich den Synthesizer nicht. Ich habe eher versucht, einen letzten Funkspruch abzugeben.


Michael Zacherl | © Michael Zacherl

Michael Zacherl | © Michael Zacherl

Michael Zacherl November / Dezember 2013
erbteieloomen 0.1 | Stück für Computer-erweiterten historischen analogen Modularsynthesizer

In meiner Bewerbung für das IMA-Artist-in-Residence_Programm stellte ich mir drei Fragen:
— Wie lässt sich dieser Hybrid (der Max Brand Synthesizer, auch „Moogtonium“) um eine Computereinheit erweitern, ohne seinen besonderen Charakter zu verlieren?
— Wie lassen sich die Spieltechniken, die die Benutzer-Schnittstelle des Max-Brand-Synthesizers anbietet, integrieren und erweitern?
— Wieviel würde ich musikalisch/klanglich von einem Trautonium oder Subharchord entdecken? Wieviel eines modularen Moog-Synthesizers?

„erbteieloomen 0.1“ ist das erste Stück in einer losen Serie, die die Möglichkeiten einer engen, aber schonenden Integration eines Computers in historische elektronische Musiksynthesizer ergründet. Ähnlich meinem digitalen Instrument „scivolo“ spielt der Computer eine tragende Rolle in der Entstehung von „erbteieloomen“, bleibt aber ebenso stets im Hintergrund.

Ich entschied mich für kommerzielle Hardware und Software und schrieb darauf speziellen Code, um die klanglichen und spieltechnischen Möglichkeiten des Systems deutlich zu erweitern. ,Computer-erweitert‘ verstehe ich als sorgfältige Vervielfältigung der Synthesizer-eigenen Module, z. B. die exakte Aufzeichnung von Steuerspannungen und Audiosignalen und deren Zurückführen in den Patch. Konsequenterweise fand keine digitale Bearbeitung der Klänge im Computer statt.

Der Computer wird ausschließlich durch die Spielvorrichtungen des Synthesizers gesteuert: Die Steuerspannung des unteren Manuals wird via Interface vom Computer gelesen und interpretiert, um bei Betätigung entsprechende Aktionen auszulösen. Vorbereitend aufgezeichnete Modulationsspannungen werden ebenfalls dem Patch des Synthesizers zugeführt. Vorher aufgenommene Klangkomponenten werden abgespielt und mit dem Livesignal gemischt.

Als Basis von „erbteieloomen 0.1“ wählte ich drei Eigenschaften des Max Brand Synthesizers: Die Möglichkeit, 12 Oszillatoren gleichzeitig ,live‘ klingen lassen zu können, gemeinsam mit ihrer Lebendigkeit, die sich aus den Stimmungsschwankungen ergeben und der schier endlose Abfall der Steuerspannung aus der Halteschaltung einer der Tastaturen, der mir langsame Veränderungen über die Dauer des Stücks erlaubte.

Jeder Klang dieses Stücks entstand am Max Brand Synthesizer. Die nebenstehende Audiodatei ist eine Live-Aufnahme des Konzerts vom 17. Jänner 2014.


Katharina Klement | © Katharina Klement

Katharina Klement | © Katharina Klement

Katharina Klement Dezember 2013 / Jänner 2014
YOU AND ME | Live-performance am Max Brand Synthesizer

Die Auseinandersetzung mit dem Max Brand Synthesizer war eine persönliche und physische. Das Instrument steht mächtig da, jeder Steckkontakt, Dreh- oder Schieberegler birgt ein gewisses Geheimnis, das es zu ergründen gilt. Tastatur, Pedale und ribbon-controller zwingen zum weiteren Hand-und-Fuß-anlegen, zu einem Verbinden und Verwachsen mit der eigenen Physis.

Irgendwann hatte ich das Bedürfnis zurück zu brüllen in die massiven körperhaften Klänge dieses „Tiers“. Im klar abgesteckten und durchstrukturierten Verlauf des Stücks werden zweimal Klänge zugespielt, aus dem Material meiner Stimme geformt. Sie ähneln den Synthesizer-Klängen, sind kaum als menschliche Stimme zu identifizieren. „You and me“ ist die Geschichte einer haptischen, elektronischen und klanglichen Verbindung, in der ich als Performerin das wilde Tier zu zähmen versuche, sich unsere Stimmen und Kräfte verbinden.


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