Symposium Beyond the Surface Programm

DO 19 02 2015 10:00

Liubov Pchelkina (RU) | Die Methoden Gruppe und die Theorie des Projektionismus in Russland in den 1920ern

In der Zeit nach der Oktoberrevolution suchten die Gesellschaft und der Staat der Sowjetunion nach Ersatz für religiöse Werte und bürgerlichen Idealismus. Die neue Ideologie brauchte eine neue Kunst, die vor allem auf Materialismus, Naturwissenschaften und formaler Analyse anstatt auf abstrakten Emotionen beruhen sollte. Der Künstler Solomon Nikritin entwickelte eine grundlegende Kunsttheorie, die er Projektionismus nannte. Nach dieser Theorie ist „ein Künstler nicht ein Hersteller von Konsumgütern (ein Schrank, ein Gemälde), sondern Autor von (PROJEKTIONEN) METHODEN“. Worte wie Inspiration und Wunder der Kreativität wurden durch recht greifbare Begriffe wie Material (Leinwand, Farbe, Körper, Klang, usw.), Textur und Struktur ersetzt. Die neue Sprache der Kunst stützte sich auf Ausdrücke wie Strömung, Dynamik, Dichte, Konsistenz, Plastizität etc. Nikritin schreibt: „Kunst ist eine Wissenschaft der objektiven Systeme der Organisation von Materie. Aber jedes System und jede Organisation wird mittels Methoden umgesetzt.“ Die Mitglieder von Nikitrins „Methoden“ Gruppe setzten die Ideen des Projektionismus in der Malerei, im Projektionstheater und in anderen Projekten um.

Marija Juza (HR) und Bernarda Cesar (HR) | Arbeiten und Leben in Organizam – eine kreative Plattform und ihre Methoden

Organizam ist eine informelle Allianz und kreative Plattform in Kroatien, die die Organisationen UBU – The Association of Former Students of School of Applied Arts and Design Zagreb, Sintoment – The Association for Multimedia Art and Recognition of Culture, Babushke – Design Studio and Nefunkcionalni most – Architektur Studio, umfasst. Organizam ist kontinuierliche progressive Ausbildung, Aktivität und Arbeit im kulturellen und künstlerischen Leben und realisiert einen interdisziplinären und transdisziplinären Ansatz in Bezug auf sozial engagiertes Design und Architektur, Publikum und Öffentlichkeitsarbeit, jugendliche AutorInnen und KünstlerInnen in der Schaffung, Entwicklung von Dialog und intergenerative Verbindungen, Wiederbelebung vergessener Werte, Institutionen und Bereiche, Forcierung von Design für einen bestimmten Nutzer etc. Dabei verwendet Organizam neue Technologien, Medien und Praktiken genauso wie intuitive Visionen, Vorhersagen und Realitätsprüfungen. Innerhalb der letzten fünf Jahre hat Organizam mehr als 40 kulturelle und künstlerische Projekte, Kooperationen und Mitwirkungen auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene umgesetzt und hunderte von jungen und professionellen Mitarbeitern und Partnern miteinbezogen. Langfristige multilaterale Projekte sind z.b. Kamp Kulture, UBUdućnost, klUBU, U krugu Škole (Around the School), Relict, Hiiiža, Sintokuća, Park u parku (Park inside Park), A Bubble…

starsky (AT) | von der praxis der projektion

eine projektion ist ein raum gebündelter, gerader lichtstrahlen, die erst am widerstand sichtbar wird. das wesen der projektion ist : jetzt ! nur im moment, flüchtig, vielschichtig, mehrdimensional, räumlich, immersiv, temporär, nonlinear und polylogisch. das sind die grundparameter dieses mediums. das zugehörige handwerszeug, sei es nun analog oder digital, ist in permanenter veränderung begriffen : ständig werden neue apparate, controller und techniken entwickelt, die es sich anzueignen gilt. was vor wenigen jahren noch unerschwinglich war, ist heute allgemeingut und umgekehrt. die visualistin ist apparateurin : apparateurinnen erzeugen apparate, apparate prägen apparateurinnen … oder : utopien erzeugen apparate, apparate prägen utopien … apparateurinnen oszillieren zwischen vision und imprägnierung …. ; die selbstermächtigung der visualistin ist unumgänglich ! die visualistin : die apparatörin, projektörin, projektionistin, visionistin, utopistin, anarchistin, schnittstelle, künstlerin, punkt, stern, star …… person …… mensch …… niemand …… …… …… * die visualistin ist weiblich : männer dürfen sich mitgemeint fühlen.

13:30 – 14:30 Pause

DO 19 02 2015 14:30

Alla Zagykevych (UA) | Algorithmischer Zugang in der Komposition

„Air Mechanics“ (Instrumentales Sextett) beruht auf der Idee, das Phänomen der Bildung von Gravitationsbewegungen der Luft als „metaphorisches Modell“ für die Entwicklung von algorithmischen Systemen heranzuziehen und dadurch rhythmische Strukturen als auch melodische Profile als musikalisches Material für das Stück zu generieren. Unterschiedliche Bewegungsbahnen von Mikro-Motiven (statisch oder dynamisch, aufsteigend oder absteigend) organisieren Strukturen von variablen melodischen Linien und erzeugen polyphone Texturen innerhalb der Partitur.

Mauricio Valdes San Emeterio (SLO/MEX) | DNA Sequencer/Areneroprojekt

Zusammen mit Dr. Jure Pohleven habe ich ein musikalisches System errichtet, das von DNA-Daten eines Proteinmodells gespeist wird. Dabei wird Information bezüglich dessen biochemischen Funktionen als Fahrplan für die Bedingungen umgesetzt, die auf das System musikalischer oder Sound-Art-Improvisations -Sessions, die Veränderung und Speicherung des Audiosignals angewendet werden. Diese Phase des Projekts wurde für formative als auch künstlerische Ergebnisse genutzt.
In der jetzigen Version der Software sind Sound-System-Prozesse strukturell mit spektromorphologischen Konzepten, wie sie von Dr. Dennis Smalley vorgestellt und von verschiedenen TheoretikerInnen erweitert wurden, verbunden.
Mit dieser Software habe ich bereits fast 200 Stunden Aufnahmen bei Workshops und diversen Sessions und Konzerten mit ImprovisatorInnen, MusikerInnen und BastlerInnen gemacht.

Alberto de Campo (DE) | Live Coding und Just in Time Programmieren

Live coding bezeichnet das Verfahren einer Live Performance durch das Schreiben und Umschreiben von Code; Just In Time Programmieren ist ein allgemeinerer Begriff für das Schreiben und Verändern von Programmen, während diese bereits laufen.
Beide Methoden werden von der Code Bibliothek JITLib, geschrieben von Julian Rohrhuber in der Programmiersprache SuperCollider, zu der auch ich beigetragen habe, unterstützt. Ich werde praktische Beispiele aus zwei Bereichen zeigen:
Das Skizzieren von kleinen Performance Instrumenten mit Just In Time Programmieren und ein Aufführungs-Setup für vernetztes Live Coding mehrerer Mitwirkender namens Republic, das von powerbooks_unplugged und anderen Netzwerk-Musik-Ensembles entwickelt und verwendet wurde.

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FR 20 02 2015 10:00

Peter Donhauser (AT) | Archäologie elektro-optischer Musikinstrumente

Ein Großteil der ersten elektronischen Musikinstrumente hat nicht überdauert. Es gibt verschiedene wissenschaftliche Interessen bezüglich dieser Instrumente: rein museologische, ästhetische und technische. Eine spezielle Anforderung ist es, die Instrumente spielen zu können, um bessere Kenntnisse der Spieltechnik und deren Einfluss auf praktische Einschränkungen und Klangqualität zu gewinnen. Eine ganz besonderer Typus sind elektro-optische Instrumente. Sie stellen eine Verbindung zwischen Graphik und elektronischem Klang dar. Die jüngste Entdeckung ist „ESRA“ (“envelope shaping resource assembly” = Hüllkurven formender Klangquellen Aufbau), was von Max Brand verwendet wurde. Diese Konstruktion ist mit den Ideen vergleichbar, die hinter Wavetable Synthesizern der 1980er Jahre stecken. Entworfen in den späten 1950ern, ist ESRA nun Gegenstand eines Versuchs zur Rekonstruktion. Gezeigt wird ein erstes Experiment um die Idee zu testen.

Gert-Jan Prins (NL) and Martijn van Boven (NL) | Black Smoking Mirror

In diesem Vortrag konzentrieren wir uns auf das Hauptthema der Trilogie „Noise and Matter“ (Geräusch und Materie) und der Arbeiten Walzkörpersperre, Black Smoking Mirror und dem zukünftigen Projekt Deep Space Ceramics. Wir werden zeigen, wie unterschiedliche Frequenzbereiche wie Licht, Klang und Mikrowellen zur Produktion und Modifikation aller Arten von Medien verwendet werden können. Ausserdem werden wir die grundlegenden Aspekte von analogen Medien im Produktionsprozess der „Noise and Matter“ Serie ansprechen. Im letzten Teil werden konzeptuelle und künstlerische Referenzen der Arbeiten in den Bereichen Musik und Expanded Cinema (Erweitertes Kino) behandelt.

Andrey Smirnov (RU) | Der Kampf für Musik ohne Ausführende
Graphischer Klang versus Optische Synthese in Russland in den 1920-50ern

Im Sommer 1917 schrieb der junge Erfinder Evgeny Sholpo in Petrograd einen Science Fiction Essay mit dem Titel „Der Feind der Musik“. Darin beschreibt er eine Klangmaschine namens „Das mechanische Orchester“, die in der Lage ist, jeden beliebigen Klang zu synthetisieren und Musik gemäß einer speziellen graphischen Partitur zu produzieren, ohne Ausführende oder InterpretInnen zu erfordern. Er glaubte an die Möglichkeit einer analytischen Erkenntnis der Geheimnisse der Kreativität. Er war sicher, dass er, bewaffnet mit mathematischen Formeln, mystische und idealistische Tendenzen durch eine Erklärung der Phänomene musikalischen Schaffens aufbrechen könnte. Er betrachtete InterpretInnen als „Ensemble von Mittelspersonen“ zwischen den Ideen des Komponisten und der Wahrnehmung der Zuhörer und sie erschienen ihm als solche überflüssig. Diese Ideen haben zur Erfindung von Methoden graphischen Klangs als neuer Zugang zur Aufführung von Musik, die heute „Tape Music“ genannt würde, geführt. Zum ersten Mal wurde die Produktion von Klang nahezu unsichtbar und von ihrer Körperlichkeit befreit. Trug diese Errungenschaft ein Potential der Selbstzerstörung in sich?

Elisabeth Schimana (AT) | Klang als Partitur

In der Virusserie entwickelte ich eine spefizische Methode um mit MusikerInnen zu kommunizieren. Als Hörende und nicht schreibende Komponistin elektronischer Musik arbeite ich mit dem Medium Klang im Gegensatz zum Medium Schrift/Bild. Live generierter elektronischer Klang ist die Partitur für die MusikerInnen. Jede/r Musikerin bildet ein Duo mit einem Lautpsrecher und ist angewisen das Gehörte so präzise wie möglich am Instrument zu spielen. Für das Publikum ist beides hörbar – die Partitur und die Interpretation.

13:30 – 14:30 Pause

FR 20 02 2015 14:30

Klaus Filip (AT) | Force Quit

Digitaler Instrumentenbau: Voraussetzungen schaffen, die nicht einschränken, irgendwie dieses Gefühl von „alles ist möglich”, eine Software, die Ideen verwirklichen läßt und nichts vorgibt, bzw „nichts vorgibt“ Wir wollen den Missbrauch fördern, das Nähkästchen dazu:  cuts, filters, loops, rooms, envelopes, frequencies, random, realtime, improvised, art, ease, revolution – müssen wir auch beats anbeaten? Wenn du beim Programmieren daran denkst, dass eine andere Person den Patch in einer komplett anderen Weise verwendet als von dir gedacht, könnte diese Person irgendwann auch du selbst sein. Und dann noch ein bischen Kontrollverlust zur Selbstüberaschung:  „Ideas are one thing and what happens is another.“ (John Cage) Oder frei nach Buckminster Fuller: ppooll ist eine Software mit eingebauter fehlender Bedienungsanleitung.

Tamara Wilhelm (AT) | Elektronische Musikinstrumente nach dem DIY-Prinzip

Das Basteln elektronischer Musikinstrumente nach den Do-It-Yourself Prinzip beruht – nicht immer, aber sehr oft – auf der Zweckentfremdung von sehr gewöhnlichen elektronischen Bauteilen. Durch nur zwei zusätzliche Bauteile läßt sich ein logisches Gatter in einen Oszillator verwandeln. Nur wenig Werkzeug und gar kein elektrotechnisches Wissen wird benötigt, um in die Welt der handgefertigten elektronischen Musikinstrumente einzutauchen. Die Unvorhersehbarkeiten dieser Instrumente setzen sie einem musikalischen Partner oder Gegenüber gleich, die hohe Fehleranfälligkeit inspiriert neue Wege des Spielens. Ich werde zeigen, wie so ein einfacher Oszillator gebaut wird und warum er eine Rechteckwelle erzeugt. Ausserdem möchte ich darüber sprechen, welchen Zusammenhang es auf diesem Gebiet zwischen DIY und DIT (Do-It-Together) gibt – als Methode zur Gewinnung von Information, zum Teilen von Wissen und Erfahrung.

Seppo Gründler (AT) | Basteln und Komponieren

Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners (Heinz v. Förster) – Ich hoffe mehr Fragen aufzuwerfen als zu beantworten. Problematik der Improvisation – Improvisieren als Echtzeit-Komposition – improvisierender Komponist vers. komponierender Improvisateur? Elektronische Musik auf der Bühne, ohne physische Existenz eines akustischen Instruments, schaut das Publikum gerne auf KnöpfedreherInnen und MausakrobatInnen? Probleme der Live-Performance – Latenzprobleme, Schnittstellen? Ist das Setup die Komposition? Software? grafische Programmierumgebungen versus Skripte und virtuelle Synthesizer und schlussendlich pragmatische Probleme wie Transport, Klangprojektion, Bier und Cola auf der Bühne ? Anhand meiner Projekte werde ich die Probleme diskutieren.

Jasmina Zaloznik (SLO) and Brane Zorman (SLO) | Kritisch denken, politisch handeln. Sound überall hin schmuggeln

Die Wichtigkeit von Gleichheit innerhalb von Gruppen ist ein Grundstein von CONA – Institute For Contemporary Arts Processing, der in gewisser Weise in die Prinzipien und Methodik ihrer Arbeit eingeschrieben ist. Dieses Prinzip setzt die Stärken von Individuen ein und verknüpft diese durch Projektentwicklung. Wir versuchen, Projekte so zu entwerfen und auszubauen, dass sie sich über einen längeren Zeitraum ausbreiten, um die Diskussion von entscheidender Fragestellungen innerhalb der Gesellschaft zu eröffnen. Die methodologischen Aspekte dieses individuellen als auch kollektiven Arbeitens wird anhand konkreter Beispiele präsentiert, die wir gemeinsam in den letzen vier Jahren konzipiert haben: Response Sound Maps / Walks, RFID, Walk the City, Field Frequency Flux.

Angeregt durch die Beobachtung von Mitteln der Technologie und der darin implizierten manipulativen Mittel wird in diesen Projekten eine Verbindung geschaffen zu transformativen Vorstellungen von öffentlichem Raum, die in verschiedenen Aspekten und Möglichkeiten in den ausgewählten Beispielen repräsentiert wird, und zwar durch beständiges Falten und Entfalten während des Prozesses des Arbeitens und Zusammenarbeitens: durch formatieren, erkunden, testen, platzieren, weiterentwickeln usw. In der Form eines Dialoges werden zwei leise, entfernte Stimmen ihre eigenen Kapazität und Methoden kritischen Denkens und politischen Handelns gemäß ihrer theoretischen und künstlerischen Kompetenzen reflektieren. (In einem Dialog werden Brane Zorman und Jasmina Zaloznik ihren individuellen Zugang und ihre Mitarbeit bei diesen Projekten darlegen.)