Cinq Ètudes De Bruits 1948

PIERRE SCHAEFFER

Etude 1
Déconcertante ou Etude aux Tourniquets

Das Klangmaterial zu dieser Etüde wurde aus außereuropäischen und alltäglichen Instrumenten gewonnen: dünne Metallplatten, Holzschlaginstrumente und zwei Tourniquets bilden zwei musikalische Grundmuster. Ursprünglich war für diese Etüde ein spezifisch abstraktes Ordnungsschema geplant, basierend auf einer Ausgangskomposition von Gaston Litaize. Die angewande Technik führte allerdings von diesem Plan weg, da sich das Resultat als unbefriedigend herausstellte. Die Hauptmotive wurden auf 33 Umdrehungen pro Minute abgespielt; eine Reihe rhythmischer Figuren wurden herausgelöst, um eine dichtere Instrumentierung zu schaffen.

Etude 2
Imposée ou Etude aux Chemins de Fer

Das Thema der Eisenbahn ist im ersten Teil frei behandelt; es enthält eine Vielfalt an rhythmischen Entwicklungen. Der erste Teil ist wie ein Thema mit Variationen; der zweite Teil, der aus denselben Elementen besteht, bewegt sich aber vom anekdotischen Geräuschgestus weg. Schließlich wird in der Coda an das Anfangsthema erinnert.

Etude 3
Conertante ou Etude pour Orchestre

Etüde 3 mit dem Titel Concertante ou Etude pour Orchestre ist die Antwort auf Etüde 1 mit der Bezeichnung Déconcertante. Das Ausgangsmaterial besteht aus kurzen Momenten, in denen sich das Orchester vor der Aufführung einstimmt. Die freien Bearbeitungen der ursprünglichen Aufnahme waren Auslöser für eine Fülle an Ideen, die mehr durch Zufall als durch konkrete Auswahl oder Komponieren entstanden sind. Somit war eine Instrumentierung geboren, die wie selbstverständlich zu einem Dialog mit dem konzertierenden Instrument führte. Die Klavierimprovisationen von Jean Jaque Grunewald treten in ein Wechselspiel mit den überarbeiteten Orchesterklängen. Die Etüde besteht aus vier Sätzen. Es überrascht nicht, dass die Komposition, die sich auf eine äußerst eingeschränkte Auswahl des Ausgangsmaterials beschränkt, auf Tonalität basiert. Durch die 33 Schallplattenumdrehungen pro Minute bewegen sich die Töne von der Tonart in A nach einer bestimmten Anzahl von Modulationen zu G.

Etude 4
Composée ou Etude au Piano

Während die Etüde Imposée ou Etude aux Chemins de Fer auf alltäglichem Klangmaterial basiert, das schwierig in die Komposition einzubringen ist, illustriert die vierte Etüde mit dem Titel Composée ganz eindeutig, was man unter „musique concrète“ versteht. Das Material der Etüde besteht ausschließlich aus Geräuschen und Klängen, die aus dem Klavier gewonnen werden können. Besonderes Augenmerk wurde darauf gelegt, gängige Spielweisen auf dem Klavier zu meiden. Die Komposition basiert auf dem Prinzip einer „geschlossenen Rille; Klangfragmente oder rhythmische Figuren werden aus ihrem Kontext herausgelöst und unter Verwendung verschiedenster Techniken wie Hall, rückwärts Abspielen, etc… in ein anderes Tempo oder Tonhöhen gebracht. Die Etüde beinhaltet einen rhythmischen Satz, gefolgt von einem melodischen, langsamen Satz und eine Reprise aus rhythmischen Variationen, die von einem langsamen Motiv unterbrochen wird, welches sich auf musikalische Ideen in drei unterschiedlichen Registern stützt. Die Etüde endet mit einer rhythmischen Wiederholung, die an das ursprüngliche Tempo erinnert.

Etude 5
Pathétique ou Etude aux Casseroles

Nach einem kurzem Interludium, bestehend aus dem Geräusch von einer, dann zwei scheppernden Büchsen, folgt ein langsames kontrapunktisches Thema, das zu einem bis zum Ende durchgehenden rhythmischen Leitmotiv wird. Es tauchen Stimmelemente auf, die in ihrer ursprünglichen Form verwendet werden, um den rauen Charakter zu bewahren. Nach einem Crescendo ausgehalten auf tonalen Kadenzen, leitet ein Diminuendo zur Coda über, die erneut vom Klang der Büchsen dominiert wird. Aufgrund seiner unkonventionellen Arbeitsweise, war es dem Komponist wichtig zu betonen, dass er das verwendete Stimm-Material auf einer in den Auschuss geratenen Schallplatte gefunden hatte. Die einzig noch erkennbare Stimme war von Sacha Guitry.